Mit diesem Schreiben möchten wir Sie über den vom Ministerium für Wissenschaft und Künste angeordneten radikalen Sparkurs im Hochschulsektor in Kenntnis setzen. Neben der Hochschule für Bildende Künste in Braunschweig ist auch Die Hochschule für Musik, Theater und Medien in Hannover betroffen.
Am 20.02.2013 – mit dem Auslaufen der vergangenen Amtsperiode – hat das niedersächsische Ministerium für Wissenschaft und Kultur unsere Hochschule, die Hochschule für Bildende Künste Braunschweig (HBK), zu weiteren Sparmaßnahmen aufgefordert. Diese jüngst gestellten Anordnungen beinhalten Einschnitte, die fundamentale Strukturen unserer Hochschule irreparabel beschädigen. Sollten die geforderten Einsparungen in ihrem Umfang und im statuierten Zeitrahmen zur Umsetzung kommen, sind die Mitarbeiter, die Lehre, und somit die HBK als Institution gefährdet. Vor diesem Hintergrund wenden wir uns als Studierende an die verantwortlichen Beamten und Gremien des Ministeriums für Wissenschaft und Kultur, um Neuverhandlung zum Sparkurs der HBK zu erwirken.
Direkte Konsequenzen des Sparplans sind:
keine Wiederbesetzung für alle ausgeschriebenen bzw. auslaufenden Stellen für Beamte und Beschäftigte
keine Gast- oder Vertretungsprofessuren
keine Verlängerung von befristeten Arbeitsverträgen in Verwaltung und Lehre
pauschal keine Erteilung neuer Lehraufträge
In ihrer Gesamtheit bedeuteten die vom letzten Ministerium vorgeschriebenen Sparmaßnahmen verheerendes für Lehre und Betrieb. Kündigungen und Streichungen, die nicht auf die Wichtigkeit der jeweils wegfallenden Stelle achten und sich ausschließlich am geltenden Kündigungsrecht fest machen, können keine Lösung sein, um einem so komplexen Organismus, wie dem einer Hochschule, zur Besserung zu verhelfen.
Um der HBK einen wirtschaftlichen und effizienten Betrieb zu ermöglichen, muss sie organisations- und lehrfähig bleiben. Vitale Organe in allen Bereichen von Betrieb, Verwaltung und Lehre schlichtweg absterben zu lassen, ohne mit Vertretungen oder Gastkräften jedweder Art kompensieren zu können, nimmt ihr (der HBK und der Lehre) jegliche Fähigkeit zur Selbstverwaltung.
Ganze Module fallen aus dem Lehrplan, eventuell sogar bereits ab dem Sommersemester 2013, was oftmals grundlegende Inhalte und Alleinstellungsmerkmale der Hochschule betrifft. Inhalte, die unsere Hochschule selbst im internationalen Vergleich auszeichnen und ihre Wettbewerbsfähigkeit ausmachen. Für bereits eingeschriebene Studierende sind solche Einschnitte nicht tragbar, bedeuten sie doch schwerwiegende Eingriffe in Studienstruktur und Betreuung. Für die Hinzugewinnung neuer Bewerber und Bewerberinnen bedeutet sie einen weiteren Rückgang der Bewerberzahlen und betreffen somit das Fortbestehen der Lehranstalten als solche.
Solche Einschränkungen orientieren sich kompromisslos an pekuniären Bilanzen, ohne ein Auge für die eigentlich zu schützenden Werte zu haben: den Bildungsbetrieb um Wissenschaft, Design und Künste.
Das erscheint unverantwortlich, gewinnen die an der HBK vermittelten Bildungsinhalte doch gerade in diesen Zeiten, die Rahmen und Bühne für die hier thematisierten Kürzungen bilden, an Bedeutung.
In diesem unseren multimedialen Zeitalter, in dem technische Innovation immer maßgeblicher Einfluss auf Individuum und Gesellschaft nimmt, fällt es den Kunst- und Medienwissenschaften zu, neue Strömungen zu verorten. Sie vermitteln zwischen der historischen Situation und den richtungsweisenden Errungenschaften einer anbrechenden Zukunft. Erst so können neue Entwicklungen in Gänze verstanden und nutzbar gemacht werden. Nicht zuletzt sind visionäre Ideen in diesem jungen aber stetig wachsenden Wirtschaftsfeld immer wieder auf die Erkenntnisse geschulter Beobachter zurückzuführen. Kunst- und Medienwissenschaft beschäftigen sich eingehend mit Geschichte, Gesellschaft und Politik . So ergänzen diese Fakultäten das Bildungsangebot für alle Studierenden der HBK, auch und gerade im Hinblick auf die Anforderungen des Arbeitsmarktes.
Der freien Kunst fällt – wie zu jeder zeitgeschichtlichen Zäsur – die Orientierung in essentiellen Fragen nach der Rolle des Individuums zu. Lebensumstände wie Krieg, Hunger und Unterdrückung begleiten den Einzelnen nach wie vor und haben es verdient, der Öffentlichkeit aus der Sicht der Künstler ihrer Zeit vorgestellt zu werden. Moderne Erfahrungen und Gefühlswelten sind nicht minder von Bedeutung. Die Sprache der Kunst ist eine der universell verständlichsten Kommunikationssysteme und bleibt für den interkulturellen Diskurs unerreicht.
Die Design-Studiengänge spielen eine entscheidende Rolle für eine Epoche, in der Visualität und Ästhetik den Alltag in nie dagewesener Weise mitbestimmen. Schon im Kindesalter begegnet der Durschnittsbürger komplexen Informationswelten, die ohne gekonnte Abstraktion und Gestaltung im Sinne der Benutzer- und Kundenfreundlichkeit undenkbar wären. Nicht von ungefähr kommt es, dass ausgeklügelte technische Innovationen von ebenso durchdachten Konzepten in Formsprache und Design begleitet werden.
Die Studiengänge Darstellendes Spiel und Kunst.Lehramt, sowie Kunstvermittlung umfassen Inhalte, die heutzutage in so bedeutenden Sektoren wie Pädagogik und Wirtschaft wertvolle Dienste leisten. In unseren Schulen geben moderne pädagogische Konzepte um Identitätsfindung und Selbstbezug dem Bildungssystem wertvolle Impulse. In dieser neuen Form des Unterrichts geschieht es auch, dass Veränderungen in Familienstruktur und der musischen Ausbildung von Schülerinnen und Schülern in der breiten Masse der Bevölkerung kompensiert werden.
Auf Fortbildungen und Seminaren ist das angeleitete Rollenspiel ein unersetzliches Instrument, um Angestellte auf die immer komplexeren Realitäten erfolgreicher und produktiver Zusammenarbeit vorzubereiten.
In diesen Disziplinen ausgebildete Fachkräfte spielen eine wichtige Rolle in den unterschiedlichsten Zusammenhängen der modernen Gesellschaft. In der Zusammenstellung der einzelnen Studiengänge und der Förderung ihrer produktiven und intensiven Zusammenarbeit erfüllt die HBK die Aufgabe der Ausbildung solcher Fachkräfte auf einzigartige Weise.
Das Hervorbringen autonomer Individuen und Weltbürgern war für das Bildungswesen in Niedersachsen – und ganz Deutschland – noch nie so bedeutend, wie jetzt. Diese bereits im Humboldtschen Bildungsideal formulierten Ansprüche können und müssen auch heutzutage noch Richtlinie in der Evaluation von Bildungsinhalten sein. Wie soll die Bundesrepublik ohne diesen Anspruch ihrer Schlüsselrolle in Europa gerecht werden? Wie sollen wir ohne diesen Anspruch als vergleichsweise rohstoffarmes Land unsere Position als bedeutender Wirtschaftsstandort behaupten? Diese Ansprüche möchten wir Studenten hochhalten, nicht als Nutznießer des niedersächsischen Bildungsapparats, sondern als Mitbürgerinnen und Mitbürger dieses Bundeslandes und der gesamten Bundesrepublik.
Ansprüche, denen sich die Verantwortlichen im Ministerium nach eigener Erklärung ebenso verpflichtet fühlen.
Die seit 2005 bestehenden Missstände im Haushalt der Hochschule für bildende Künste in Braunschweig dürfen nicht zu Ungunsten der aktuell und zukünftig Studierenden und nicht um den Preis essentieller Bildungsinhalte behoben werden. Wir vertrauen darauf, dass die neu eingesetzte Landesregierung sich von den Anordnungen ihrer Vorgänger distanziert. Die HBK zu sanieren kann nicht bedeuten, sie ohne jede Rücksicht auf Flexibilität in der Verwaltung und Vielfalt im Bildungsangebot zu limitieren. Die Konkurrenzfähigkeit der Hochschule zu erhalten ist ein integraler Bestandteil eines jeden erfolgversprechenden Sparplans. Ohne der HBK die Freiheit zu gewähren, die Einsparungen im Sinne der Nachhaltigkeit durchzuführen, verfehlen jedwede Initiativen ihr erklärtes Ziel.
Eingedenk ihrer Notwendigkeit haben wir Studierenden Geduld und Leidensfähigkeit bei Einsparungen und ihren Auswirkungen auf unser Lehrumfeld bewiesen. Die Leitung und Verwaltung der HBK zeigten sich in der Vergangenheit zur Formulierung und Umsetzung von entsprechenden Umverteilungen, wie dem Hochschulentwicklungsplan, bereit und bleiben für weitere Verhandlungen offen.
Da die notwendigen Schritte zur Sanierung nicht neu verhandelt wurden, sehen wir Studierenden uns gezwungen, unseren Interessen mit organisiertem Widerstand Gehör zu verschaffen. Die bereits in die Wege geleiteten Initiativen umfassen:
Performativen Protest auf dem Braunschweiger Schlossplatz, Samstag, den 9.03.13, 12 Uhr.
Zeitungsannonce “ In Erinnerung an die Hochschule für Bildende Künste“
Protestumzug, Samstag, den 16.03.12, 12 Uhr, Braunschweiger Schlossplatz zur HBK
Sollten Sie Fragen oder Anregung zu unserer Sache haben, wenden Sie sich bitte unter der folgenden Adresse an den Asta der HBK.
asta@hbk-bs.de
(Anmerkung: Hier handelt es sich um eine Stellungnahme der aktiven Studierenden, nicht des AStAs.)